Schon im Mittelalter etablierten sich an den Höfen der Feudalherren in Japan Meister der Selbstverteidigungskunst, die die Aufgabe hatten, die Samurai in der Kunst des Nahkampfes und ohne Waffen zu unterrichten. Jeder Meister, jede Schule spezialisierte sich auf einige Griffe und bestimmte Prinzipien, deren Geheimnisse sie eifersüchtig hüteten. Als dann mit der Meiji-Restauration (1867) den Samurai ihre Privilegien genommen wurden und eine nachhaltige Begeisterung für alles Westliche die Beschäftigung mit den traditionellen Künsten als rückständig erscheinen ließ, schien die Stunde eben dieser Meister geschlagen zu haben.
Der Begründer des modernen Judo, Jigoro KANO, beschränkte
sich als Student nicht darauf, die Selbstverteidigungskunst (Ju-Jutsu) zu studieren, sondern versuchte, bei mehreren Meistern zu lernen. Er war ein Gegner von unnötiger Härte und der relativen Einseitigkeit der alten Schulen. Im Jahre 1882 eröffnete er eine eigene kleine Schule (Donjon), den KODOKAN. Sein intensives Studium hatte ihn davon überzeugt, dass neben den vorhandenen Werten für die körperliche Ausbildung auch der Weg zu einer allumfassenden Erziehung und Bildung zu finden sei. Er unterrichtete eine ständig wachsende Klasse in einem neukombinierten Zweikampfsystem, das er, weil es u.a. auf dem Prinzip „Siegen durch Nachgeben“ basierte und der Charakter- und Persönlichkeitsbildung breiten Raum gab, JUDO (der sanfte Weg) nannte.
Dafür, dass der Kampf auf der Judo-Matte nicht in einen simplen Kräftevergleich ausartet, bei dem ein Gegner mehr oder weniger verletzt auf der „Strecke“ bleibt, sorgen zwei Grundsätze.
Jede Bewegung und jede Technik gehorcht dem Prinzip der größtmöglichen Wirkung. Steht man einem körperlich stärkeren Gegner gegenüber, so widersetzt man sich dem von ihm ausgeführten Druck nicht, sondern zieht ihn sogar noch in die Richtung, in die er stößt. Der Gegner stolpert überrascht nach vorne und verliert sein Gleichgewicht zumindest teilweise. Nun setzt man die eigene Kraft mit dem größten Nutzeffekt ein. Dieses Beispiel zeigt, dass am Prinzip von der größtmöglichen Wirkung die Gesetze des Nachgebens, des Gleichgewichtbrechens und des rationalen Einsatzes beteiligt sind.
Das zweite Prinzip hebt Judo vom bloßen Zweikampfsport ab und lässt es zum erstklassigen Erziehungssystem werden. Es ist das moralische Prinzip vom gegenseitigen Helfen und Verstehen. Jede Judoübung wird mit einem Partner und nicht gegen einen Gegner durchgeführt; ohne Partner und ohne willige Freunde, für deren Fortschritt man sich genauso verantwortlich fühlt wie für den eigenen, ist Judo nicht möglich.